Kiesgarten als Grünfläche?
Im Januar sorgte eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (OVG
Niedersachsen, 17.01.2023, 1 LA 20/22) für Aufsehen, die sich mit der Frage beschäftigt, ob eine bestimmte Grundstücksgestaltung nach der Niedersächsischen Bauordnung zulässig ist und ob die Gemeinde eine Veränderung erzwingen kann.
Die Gestaltung bebauter Grundstücke ist nämlich nicht in das alleinige Belieben des
Eigentümers gestellt, vielmehr sind einige Vorgaben zu beachten, die in der NBauO geregelt sind, die sich aber auch aus örtlichen Satzungen oder Bebauungsplänen ergeben können.
Im vorliegenden Fall hatte der Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist, die Vorgartenfläche (ca. 50 m2) schon für 15 Jahren mit Kies bedeckt und in dies Kiesfläche einzelne Koniferen gesetzt. Die Gemeinde hatte gegen ihn eine bauaufsichtliche Verfügung mit Zwangsgeldandrohung erlassen, gerichtet auf die Beseitigung des Kieses un die Herstellung einer Grünfläche. Sie berief sich dabei auf § 9 Abs. 2 NbauO, wonach nicht überbaute Flächen bebauter Grundstücke Grünflächen sein müssen, soweit sie nicht für ein andere zulässige Nutzung (z. B. Zufahrt, Stellplatz) erforderlich sind.
Die Streitfrage, ob dieser Vorgarten als Grünfläche anzusehen ist, entschied das OVG zu Lasten des Eigentümers. Es sah keine Grünfläche mit Kies, sondern eine Kiesfläche mi punktuellem Grün. Nach der Begründung des OVG ist eine Grünfläche durch Pflanzenbewuchs geprägt. Dies schließt Steinelemente nicht aus, wenn sie eine nur untergeordnete Bedeutung haben, wobei es auf das Gesamtbild der Fläche, also deren „grünen Charakter“ ankommt. Das Gericht hebt hervor, dass sich eine mathematisch-schematische Betrachtung verbietet und dass es stets auf eine wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls ankommt. Dies ist wohl zu
verstehen, dass es z. B. nicht um die Anzahl von Pflanzen in einer Kiesfläche oder um deren Höhe im Verhältnis zur Fläche geht. Besondere Bedeutung hat vielmehr, ob die Bodenoberfläche grün ist. Dahinter steht die Absicht des Gesetzgebers, dass Kleinklima und den Wasserhaushalt günstig zu beeinflussen und einer „Versteinerung der Stadt“ entgegenzuwirken.
Eigentlich hat das OVG mit dieser Entscheidung nur ein Thema in Erinnerung gebracht, das alles andere als neu ist, denn die Pflicht zur Anlage von Grünflächen auf bebauten Grundstücken besteht in Niedersachsen schon seit 1973, was nur bislang von Eigentümern und Baubehörden wenig bis gar nicht beachtet wurde.
Der Kläger im geschilderten Fall konnte sich daher auch nicht auf einen Bestands-schutz berufen. Die Baubehörde ist auch nach jahrzehntelanger Untätigkeit noch berechtigt, gege den rechtswidrigen Zustand einzuschreiten.
Derzeitigen „Kiesgärtnern“ ist demnach eine flächige Begrünung zu empfehlen.
Es sollte aber auch eine andere Gestaltungsvorschrift (§ 9 Abs. 1 NBauO) beachtet werden. Danach sind nicht überbaute Flächen so herzurichten und zu unterhalten, dass sie nicht verunstaltet wirken und ihre Umgebung nicht verunstalten. Was damit gemeint ist, ist wiederum eine Wertungsfrage im Einzelfall (s. o.).
Henning Kube
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht